Klimaschutz wird Jobmotor: Studie belegt massiven Bedarf an Arbeitskräften in klimarelevanten Branchen

Klimaschutz ist ein Grundrecht, das der Gesetzgeber umzusetzen hat. Diesen Auftrag hat das Bundesverfassungsgericht gerade erst eindrucksvoll formuliert. Aber Klimaschutz braucht nicht nur Konzepte, Mittel und Maßnahmen, es braucht auch Fachkräfte, die diese in die Tat umsetzen. Und mit dieser Frage hat sich die Bundesregierung bislang in diesem Zusammenhang leider nicht befasst. Wie viele Fachkräfte wir brauchen, um die bisherigen Klimaschutzpläne der Regierung umzusetzen, darauf hat die Regierung keine Antwort, das hat auch Gerhard Zickenheiners Kleine Anfrage zu dem Thema bestätigt.

Aus diesem Grund hat die grüne Fraktion und Gerhard Zickenheiner eine Studie in Auftrag gegeben, die Antwort auf diese Frage liefern soll. Grundlage der Studie ist bewusst nicht der Klimaschutzplan 2030, sondern die mit realistischeren Klimazielen versehenen Studien der Boston Consulting Group (BCG) und Prognos: „Klimapfade für Deutschland“ und der von Agora-Energiewende, Agora Verkehrswende und Stiftung Klimaneutralität in Auftrag gegebene Untersuchung „Klimaneutrales Deutschland“.

Bis 2035 zusätzlicher Bedarf von fast 800.000 Arbeitskräften

Die Studie geht von steigenden Investitionen aus bis zu einem Peak gegen 2035. In diesem Jahr werden dann fast 800.000 Arbeitskräfte zusätzlich für klimarelevante Tätigkeiten benötigt.

Verschärft wird die Situation dadurch, dass von den benötigten Professionen 40% auf Berufsgruppen entfallen, in denen die Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2019 bereits einen Mangel an Fachkräften, Spezialist*innen oder Expert*innen identifiziert hat.

Dabei deckt die Studie längst nicht alle klimarelevanten Bereiche ab, somit bilden die Zahlen eine Untergrenze. Zusätzlicher Arbeitskräftebedarf wird sich voraussichtlich in folgenden Bereichen einstellen:

  • Allein durch Exporte von Umwelttechnologie werden voraussichtlich 110.000 Arbeitskräfte zusätzlich benötigt.
  • Nicht mitgerechnet sind außerdem die Bereiche Landwirtschaft, Landschaftsbau, Abfall und Forst. Gerade im Forst wird ein erheblicher Aufwuchs an Arbeits- und Fachkräften erwartet auf dem Weg zu einem ökologischen Waldumbau.
  • Auch Maßnahmen zur Schaffung von Resilienz im urbanen und im Landschaftsraum wurden nicht berücksichtigt. Da die hierfür erforderlichen Arbeits- und Fachkräfte bereits jetzt zu Mangelberufen gehören, ist für diesen breiten Bereich ebenfalls mit einem zusätzlichen Bedarf in erheblichem Umfang zu rechnen für Projekte wie Regenrückhaltebecken, Deicherhöhung, Maßnahmen zur natürlichen Kühlung von Innenstädten, forstlichen Brandschutzmaßnahmen etc.

Genauer betrachtet werden muss auch der Bereich der energetischen Gebäudesanierung. Entgegen den politischen Zielvorstellungen ist bisher kein wesentlicher Anstieg der Sanierungsrate gelungen. So wird deutlich, dass der Aufbau von Umsetzungskapazitäten parallel mit der Steigerung der Sanierungsrate erfolgen sollte, eine reine Erhöhung der Fördermittel würde lediglich die Preisspirale bedienen.

Mit dem Aufbau der Kapazitäten sollte umgehend begonnen werden

Die Studie enthält neben der Analyse der benötigten Fachkräfte auch Vorschläge für Maßnahmen, die den Fachkräfteaufbau unterstützen können.

  • Insbesondere zu nennen sind hier Informationskampagnen, aber auch Qualifikation und Umschulung. Schließlich werden im Bereich Automobilindustrie und Zulieferer auch Arbeitsplätze verloren gehen, wenn auch längst nicht in dem Umfang des kommenden Bedarfes.
  • Die Steigerung der gesellschaftlichen Wertschätzung und bessere Arbeitsbedingungen in handwerklichen Branchen können dazu führen, dass in klimarelevanten Branchen Zuwachs erreicht wird.
  • Auch im Bereich Zuwanderung muss gehandelt werden: Es braucht mehr qualifizierte Zuwanderung, vereinfachte Anerkennung von Qualifikationen und einen besseren Zugang ins deutsche Ausbildungssystem.
  • Insbesondere benötigen die in diesen Bereichen tätigen KMU Planungssicherheit, um vertrauensvoll den Ausbau ihrer Unternehmen vornehmen zu können.

Mit dem Aufbau dieser Arbeitskräfte für das Klima kommt eine große Aufgabe auf uns zu, die eine Chance auf sehr viele Arbeitsplätze bietet, die allesamt sinnstiftende Tätigkeiten umfassen. Und der Zeitplan ist klar: Wir müssen schnellstmöglich mit dem Aufbau der fehlenden Kräfte beginnen, das Klima wartet nicht.

Vor allem das Handwerk mit seinen Facharbeiter*innen und Helfer*innen nimmt eine Schlüsselposition in der Transformation ein und kann mit einem großen Bedeutungszuwachs rechnen.

Fazit: Klimaschutz verschafft uns in der Bilanz viele zusätzliche Arbeitsplätze. Und viele klimarelevante Berufsstände können auch und gerade Branchen- und Berufswechsler aufnehmen Es ist Aufgabe zukünftiger Politik, die Weichen für den Arbeitskräfteaufwuchs so zu gestalten, dass Klimaschutz umgesetzt werden kann.